Pride 2022: Meine Wahlfamilie

Für Anhänger der LGBTQIA+-Bewegung ist Familie oft etwas, das man sich aussucht.

In der diesjährigen Pride-Kampagne stellen wir drei Familien aus unterschiedlichen Teilen der Welt vor. Eine fand auf dem Dancefloor in Südafrika zusammen, einer anderen liegt die Geschichte einer berühmten spanischen Transfrau zugrunde und die dritte ist in der Londoner Künstlerszene enstanden.

Oberflächlich betrachtet erscheinen sie sehr unterschiedlich. Doch diese Familien haben etwas Wichtiges gemeinsam: Ihre Mitglieder haben sich füreinander entschieden.

Reeta Loi, Tori West, Jamie Windust und Sakeema Peng Crook sind Die Träumer, eine Aktivisten- und Künstlerfamilie aus dem Vereinigten Königreich.

Eine Wahlfamilie besteht aus Menschen, die nicht biologisch miteinander verwandt sind, sondern sich ganz bewusst füreinander entschieden haben. Manche von ihnen haben ausgehend von ihrem Alter, ihrer Persönlichkeit oder der Beziehung zu den anderen Familienmitgliedern bestimmte festgelegte Rollen wie Mutter oder Vater. Es gibt auch geschlechtsneutrale Verwandtschaftbezeichnungen wie "Sochte" (eine Mischung aus Sohn und Tochter), "Tonke" (anstelle von Tante oder Onkel) und "Elter" (als neutrale Bezeichnung für Vater oder Mutter). Viele Wahlfamilien kommen jedoch ohne solche festen Zuschreibungen aus. 

Das Konzept ist nicht allein auf die LGBTQIA+-Szene beschränkt — alle können eine Wahlfamilie haben —, aber es ist eng mit der queeren Erfahrungswelt verwoben. Warum? Nun ja, wer von der eigenen biologischen Familie oder der Gesellschaft ausgeschlossen wird (was für viele Mitglieder der Gemeinschaft leider traurige Realität ist), versucht diesen Leerraum anderweitig zu füllen: mit einer Wahlfamilie.

Nash Mariah, Jana Babez, Martin Magner und Mavuso Mbutuma sind Die Engel, eine südafrikanische Familie, die auf dem Dancefloor zueinander gefunden hat.

Studien zufolge besteht für Jugendliche mit LGBTQIA+-Identität eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, obdachlos zu werden. Eine durch die Ursprungsfamilie erfahrene Zurückweisung ist für sie oft der wichtigste Grund, warum sie ihr Zuhause verlassen und Zuflucht bei Wahlfamilien suchen, die in dieser Gruppe einen besonders hohen Stellenwert haben.

Auch wenn manche Wahlfamilien eher so etwas wie Zweckgemeinschaften sind, liegt vielen doch eine auf Zuneigung basierende Entscheidung zugrunde. Und sie zielen nicht darauf ab, die biologische Familie zu ersetzen. Vielmehr geht es darum, gemeinsame Erfahrung offen miteinander zu teilen. Wahlfamilien sollen unser Verständnis von Familie erweitern, es für mehr Menschen öffnen und Zusammengehörigkeit stiften.

Javier Calvo, Lola Rodríguez und Javier Ambrossi.

Letzten Endes bestimmst nur du allein, was Familie für dich bedeutet. Die kommt nicht als Einheitsgröße daher. Aber egal, wer für dich zur Familie gehört, achte darauf, dass sie dich genau so lieben wie du sie. 

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